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Beitrag vom 27.03.2008
Half Nelson von Ryan Fleck
Anna Tremper
Die Rolle des drogensüchtigen Lehrers brachte Ryan Gosling den endgültigen Durchbruch als Schauspieler und eine Oscarnominierung als bester Hauptdarsteller. Endlich ist das packende, wenn auch...
… sehr nüchtern erzählte, Drama in Deutschland zu sehen.
Das AutorInnenduo Anna Boden und Ryan Fleck, das bereits einige Kurz- und Dokumentarfilme gemeinsam realisiert hat, drehte zunächst den Kurzfilm "Gowanns Brooklyn", da ihnen die finanzielle Unterstützung für ein Langfilmprojekt fehlte. Doch der Film erntete auf dem Sundance Festival überraschend großen Zuspruch, wodurch der spannende Stoff um einen desillusionierten High-School-Lehrer mit "Half Nelson" zu einem Langspielfilm ausgearbeitet werden konnte. Mit Ryan Gosling, der sofort begeistert von dem Independentfilmprojekt war, fand sich auch direkt der passende Hauptdarsteller.
Der Film
Daniel Dunn (Ryan Gosling) unterrichtet Geschichte an einer High School in Brooklyn. Er ist jung, sieht recht passabel aus und hat einen guten Draht zu seinen SchülerInnen. Auf den ersten Blick scheint er ein grundsolides Leben zu führen, doch in der Wohnung herumliegende verrußte Löffel und Crackröhrchen erzählen eine ganz andere Geschichte. Als ihn Drey (Shareeka Epps), das Talent seines Mädchenbasketballteams, nach einem Spiel mit einer Crackpfeife halb bewusstlos auf der Schultoilette überrascht, beginnt sich ihre bis dahin recht nüchterne Lehrer-Schüler-Beziehung zu vertiefen. Für Drey ist die Drogenabhängigkeit ihres Lehrers kein allzu großer Schock, da in ihrem Viertel das Verkaufen und Konsumieren von Drogen Alltag ist.
Eine Realität, vor der Dan sie gerne beschützen würde. Er versucht Drey von dem Drogendealer Frank (Anthony Mackie), der sie als Drogenkurier rekrutiert, fern zu halten. Doch seine Drogensucht läuft seinem Bestreben ihr zu helfen, häufig zuwider. So steuern beide auf einen Abgrund zu, bis sie in ihrem Elend stillschweigend eine gemeinsame Entscheidung treffen.
"Half Nelson" zeigt einen Menschen, der nach einer Zeit von Visionen und Utopien auf der Uni, in der Wirklichkeit angekommen ist und sich ihr ohnmächtig gegenüber sieht. Die wackelige Handkamera und die zur Unschärfe verschwimmenden Bilder lassen die Orientierungslosigkeit des Protagonisten fühlbar werden. Dan befindet sich in einer Situation aus der sich zu befreien genauso unlösbar scheint, wie die Befreiung aus dem, als "halber Nelson" bezeichneten, Ringergriff. Das klaustrophobische Moment der Story wird immer wieder durch Close-Ups der ProtagonistInnen und stickig und trostlos wirkende Räume im Bewusstsein der ZuschauerInnen gehalten. Der melancholische Soundtrack trägt sein Übriges bei zur Verdichtung einer Atmosphäre des monotonen Trotts ohne Aussicht auf Veränderung.
Schauspieler Ryan Gosling beweist in "Half Nelson" einmal mehr seine vielseitige Begabung. Er bringt den desillusionierten Lehrer, der zwischen völliger Selbstaufgabe und der Hoffnung doch noch etwas bewegen zu können, schwankt, in all seiner Zerrissenheit glaubhaft auf die Leinwand. Aktuell ist sein Spiel zudem in "Lars und die Frauen" zu sehen, wo er eine ganz andere Facette seines Könnens offenbart. Auch die Jungschauspielerin Shareeka Epps ist ein echter Glücksgriff für diesen Film. Sie legt eine für ihre Alter beachtliche Intensität an den Tag, die die Rolle der Drey davor bewahrt, zu einem netten kleinen Gör mit Bewunderung für ihren attraktiven Lehrer zu verkommen.
AVIVA-Tipp: "Half Nelson" ist ein gelungener Independentfilm, der typischerweise von den KritikerInnen geliebt wird, in den USA aber leider von den ZuschauerInnen gemieden wurde. Bleibt zu hoffen, dass er an den deutschen Kinokassen nicht das gleiche Schicksal erleidet, denn das wäre ein wirklicher Verlust für das hiesige Filmpublikum. Ryan Fleck ist mit "Half Nelson" ein einfühlsames Drama gelungen, das durchaus auch seine leichten Momente hat und mit ganz bezaubernden HauptdarstellerInnen aufwartet.
Half Nelson
USA 2006
Regie: Ryan Fleck
Drehbuch: Ryan Fleck, Anna Boden
DarstellerInnen: Ryan Gosling, Shareeka Epps, Anthony Mackie, Monique Gabriela Curnen, Karen Chilton, Tina Holmes, Collins Pennie, Deborah Rush, Jay O. Sanders
Verleih: Arsenal Filmverleih
107 Minuten
FSK ab 12
Kinostart:
www.halfnelson.de